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Mangrovenforschung am ZMT

Mangroven helfen beim Klimaschutz

 

Mangrovenwälder zählen zu den produktivsten Ökosystemen der Erde. Als gigantische Kohlenstoffreservoire sind sie auch ein bedeutender Faktor für den Klimaschutz. Ein Forscherteam vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) liefert nun Speicherraten für indonesische Mangroven.

InMaOn / Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

 

Mangrovensträucher in der SAL bei Hochwasser; Bildquelle: Tim Jennerjahn

 

Viele Studien legen nahe, dass Mangroven gigantische Kohlenstoffreservoire und ein bedeutender Faktor für den Klimaschutz sind. Doch bisher fehlten genaue Berechnungen, wieviel Kohlenstoff ein Mangrovenwald in einem bestimmten Zeitabschnitt speichert. Für Klimaschutzprogramme und Emissionshandel sind solche Zahlen aber überaus relevant. Ein Forscherteam vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) liefert nun Speicherraten für indonesische Mangroven.

 

Hohe Konzentrationen von CO2 in der Atmosphäre und die damit verbundene Klimaerwärmung führen uns immer deutlicher zu Bewusstsein: es ist zwingend notwendig, die Kohlenstoff-Senken unserer Erde zu erhalten. Damit sind solche Ökosysteme gemeint, die besonders viel Kohlenstoff speichern, wie die Ozeane oder an Land die Torfsümpfe.

 

Bedeutung von Mangrovenwäldern

 

Auch Mangroven helfen beim Klimaschutz: sie sind hocheffiziente Kohlenstoffspeicher. Als Wälder am Übergang zwischen Land und Meer sind sie den Tiden ausgesetzt und werden regelmäßig überschwemmt. Das Dickicht ihrer Stelz- und Luftwurzeln hält jedoch das Sediment im Waldboden zurück und verhindert, dass es ausgewaschen wird. Im Schlick sammeln sich enorme Mengen an organischem Material an: abgefallene Blätter, abgestorbenes Holz und Wurzeln, Ausscheidungen von Fischen und Krabben sowie angeschwemmtes Material von Flüssen und Tiden. Die Schlammschichten können viele Meter tief sein.

 

Um die Effizienz von Mangroven als Kohlenstoffspeicher zu beurteilen, wurde bisher auf den Kohlenstoffbestand im Boden zurückgegriffen. Amerikanische Wissenschaftler beispielsweise bestimmten in 2011 die Menge, die im Sediment vorhanden ist: im Durchschnitt über 1000 Tonnen pro Hektar, viermal so viel wie in tropischen Regenwäldern. Insgesamt schätzten die Forscher, dass zwischen vier und 20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den Gezeitenwäldern gespeichert sind.

 

Mangrovensträucher mit Stelzwurzeln in SAL (Segara Anakan Lagune); Bildquelle: Tim Jennerjahn

 

Kohlenstoffberechnungsarten

 

»Der Wert des Kohlenstoffbestandes im Sediment allein ist aber irreführend, wenn es um die eigentliche Leistung eines Mangrovenwaldes als Senke geht, denn das organische Material kann sich in 10, 100 oder 1000 Jahren im Boden angesammelt haben«, kommentiert der Biogeochemiker Tim Jennerjahn vom ZMT in Bremen, »Der Wert gibt nur an, wieviel Kohlenstoff bei Zerstörung der Mangroven freigesetzt werden könnte. Wollen wir aber beurteilen, wieviel CO2 aus der Atmosphäre die Mangrovenwälder derzeit aufnehmen, müssen wir die Speicherraten von Kohlenstoff berechnen.«

 

Jennerjahn und sein Team untersuchten Mangrovenwälder in Indonesien – auf Java, Kalimantan und einer Insel der Thousand Islands. Sie entnahmen viele einen Meter lange Sedimentkerne, datierten diese und bestimmten die Speicherraten für Kohlenstoff pro Hektar und Jahr zusätzlich zur Ermittlung des Kohlenstoffbestandes. Für ihre Berechnungen berücksichtigten sie auch die Biomasse des Waldes oberhalb des Bodens.

 

Beispiel Segara Anakan Lagune

 

Im Laufe der Untersuchungen wurde immer deutlicher: die Zahlen für den Kohlenstoffbestand einerseits und die Speicherraten andererseits können sich aufgrund der Umweltbedingungen erheblich unterscheiden. Im Osten der Segara Anakan Lagune auf Java beispielsweise grenzt der Mangrovenwald direkt an die Lagune. Zusätzlich zur Biomasse des Waldes schwemmen die Tiden viel organisches Material in die Mangrove. Einem hohen Kohlenstoffgehalt von 450 Tonnen pro Hektar steht eine niedrige Speicherrate von 20 Tonnen entgegen. Dies liegt daran, dass der eine Meter Sediment über einen Zeitraum von 300 Jahren entstanden ist. Ein großer Teil des eingetragenen Materials ist organischer Natur und führt deshalb zu einem hohen Kohlenstoffbestand, die jährliche Speicherrate ist allerdings aufgrund des langen Zeitraums der Entstehung sehr gering.

 

Studentin bei der Entnahme eines Sedimentkerns in der SAL (Segara Anakan Lagune); Bildquelle: Tim Jennerjahn

 

Im Westen der Lagune hingegen säumt der Mangrovenwald eine Flussmündung. Vor allem während des Monsuns befördern die Wassermassen des Flusses Citanduy große Mengen an Sediment aus dem vulkanischen Hinterland und lagern sie im Mangrovenwald ab. Der hohe Sandanteil verdünnt gewissermaßen das organische Material und führt zu einem relativ geringen Kohlenstoffbestand von weniger als 200 Tonnen pro Hektar, die Speicherrate hingegen ist zehnmal so hoch wie im Osten der Lagune. Der eine Meter Sediment ist im Westen der Lagune nämlich viel schneller angewachsen als im Osten, in nur 30 Jahren. Deshalb ist die Speicherrate pro Hektar und Jahr auch so viel höher. Dieses Beispiel zeigt wie unterschiedlich die Kohlenstoffspeicherfähigkeiten von Mangrovenwäldern auf relativ kleinem Raum innerhalb einer Lagune sein können, und dass es dabei nicht nur auf die Wälder selbst ankommt, sondern auch auf deren Untergrund und Umgebung.

 

Beide Berechnungsarten haben ihre Stärken und Schwächen. Weil der Kohlenstoffbestand sehr viel einfacher zu ermitteln ist, ist er in den meisten Studien die Bezugsgröße, wenn es um die Bedeutung der Mangroven für den Klimaschutz geht. So kann man berechnen, wieviel Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre freigesetzt werden kann, wenn Mangrovenwälder zerstört werden. Die großen Kohlenstoffbestände machen deutlich, wie wichtig der Erhalt der Mangroven ist. Man weiß so aber nicht, wieviel von dem jährlich vom Menschen in die Atmosphäre entlassenen CO2 in den Mangrovenwäldern und ihren Sedimenten gespeichert wird. Dazu benötigt man die Kohlenstoffspeicherrate, die mit einer sehr aufwändigen und teuren Datierung der Sedimentkerne ermittelt werden muss und daher viel seltener in Studien zur Anwendung kommt.

 

Globale Bedeutung im Kohlenstoff-Emissionshandel

 

Für Länder wie Indonesien, Indien oder Bangladesch könnten Mangroven zukünftig eine bedeutende Rolle im weltweiten Emissionshandel spielen. Indonesien ist einerseits das Land mit der größten Mangrovenfläche weltweit, hat andererseits aber auch die höchsten Verlustraten pro Jahr zu beklagen. Häufig fallen die Mangrovenwälder der Rodung und Umwandlung in Aquakulturteiche und Palmölplantagen zum Opfer, so werden große Kohlenstoffspeicher zerstört. Obwohl Untersuchungen der Kohlenstoffspeciherfunktion seit Jahren vorangetrieben werden, gibt es in Indonesien noch viel zu wenige Zahlen, die diese wichtige Klimaschutzfunktion der Mangrovenwälder berechnen (belegen). Im REDD-Programm der Vereinten Nationen zur »Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung«, einem Instrument der internationalen Klimaschutzpolitik, werden sie zunehmend berücksichtigt. »Daher ist es für die Bedeutung der Mangroven als Kohlenstoff-Senke überaus wichtig, zuverlässige Zahlen zu haben«, so Jennerjahn.

 


Einige visuelle Eindrücke von der Segara Anakan Lagune (SAL), an der Südküste Javas im Distrikt Cilacap gelegen, und den dortigen Forschungsaktivitäten des ZMT:

 

 

Mangrovenwald und Fischer in Segara Anakan Lagune (SAL) bei Niedrigwasser.
Foto: Tim Jennerjahn
Mangrovensträucher in der SAL bei Niedrigwasser mit Plastikmüll.
Foto: Tim Jennerjahn
Mangrovensträucher mit Stelzwurzeln in SAL.
Foto: Tim Jennerjahn
Beprobungsteam auf dem beschwerlichen Weg durch den Schlamm zur Probenahme.
Foto: Tim Jennerjahn
Mangrovensedimentkern aus der SAL.
Foto: Tim Jennerjahn
Fischer mit Mangrovenbaumschnitt aus der SAL.
Foto: Tim Jennerjahn
Mangrovensträucher in der SAL bei Hochwasser.
Foto: Tim Jennerjahn
Kleiner Mangrovenstrauch mit Stelzwurzeln in der SAL.
Foto: Tim Jennerjahn
Westliche SAL, wo sich braunes Flusswasser des Citanduy und blaugrünes Meerwasser in der Lagune mischen.
Foto: Tim Jennerjahn
Gezeitenkanal in der SAL bei Niedrigwasser.
Foto: Tim Jennerjahn
Studentin bei der Beprobung eines Sedimentkerns im Labor.
Foto: Tim Jennerjahn
Studentin bei der Entnahme eines Sedimentkerns in der SAL.
FFoto: Tim Jennerjahn
Winkerkrabbe, häufiger Bewohner der Mangrovensedimente.
Foto: Tim Jennerjahn

  

 

 

 


Weiterführende Kontakte und Informationen

 

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:

 

Dr. Tim Jennerjahn

Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

 

Originalpublikation:

 

Mariska Astrid Kusumaningtyas, Andreas A.Hutahaean, Helmut W. Fischer, Manuel Pérez-Mayo, Daniela Ransby, Tim C.Jennerjahn: Variability in the organic carbon stocks, sources, and accumulation rates of Indonesian mangrove ecosystems. Estuarine, Coastal and Shelf Science, Volume 218, 5 March 2019.

 

Informatives in Kürze

 

Mangroven zählen neben Korallenriffen und tropischen Regenwäldern zu den produktivsten Ökosystemen der Erde. In der allgemeinen Wahrnehmung sind sie noch sehr unterschätzt, obwohl sie ungemein wichtige Aufgaben erfüllen.

 

Mangrovenwälder gedeihen in unwirtlich erscheinenden Lebensräumen. Die 70 bis 80 verschiedenen Mangrovenarten, die es weltweit gibt, wachsen in der Gezeitenzone oder an Flussmündungen und können in Salzwasser und Sedimenten mit wenig Sauerstoff leben – toxische Bedingungen für die meisten Pflanzen.

 

Mangroven erstrecken sich global über eine Fläche von rund 15 Millionen Hektar.

 

Mangrovenwälder speichern enorme Mengen an Kohlenstoff und Stickstoff in ihren Sedimenten, was erheblich zum Klimaschutz beiträgt. Sie schützen Küsten vor Sturmfluten und Erosion und bewahren mit ihren Nahrungsressourcen die Küstenbevölkerung vor der Landflucht.

 

Weltweit gehen immer noch jährlich bis zu acht Prozent der Mangrovenfläche durch Rodung und Abholzung verloren, um Platz für Hotelanlagen, Palmölplantagen oder Aquakulturteiche zu schaffen.

ZMT 

 

 

Über das ZMT

 

Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen widmet sich in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme wie Mangroven, Seegraswiesen, Korallenriffe, Ästuare und Auftriebsgebiete. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Mit seiner Arbeit schafft das Institut eine wissenschaftliche Grundlage für den Schutz und die nachhaltige Nutzung dieser Lebensräume. Das ZMT führt seine Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch, wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt.

 

 

 

 

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