Ein deutsch-indonesisches Filmprojekt
Fünf Inseln + Fünf Dörfer = Zehn Abenteuer
Das Goethe Institut lässt sich immer wieder auf wunderbare Experimente ein. Im Fall des Filmprojektes Fünf Inseln – Fünf Dörfer dürfen sich die deutschen Zuschauer auf 10 Abenteuer freuen, ferne Inseln und die eigene Heimat mit neuen Augen entdecken.
von Birgit Lattenkamp
Filmstill aus »Bobanehena« von Anna Walkenstein, es herrscht gerade eine Sonnenfinsternis; Bildquelle: Anna Walkenstein
Neugierig beugen sich Kinder über zwei auf dem Erdboden stehende Wasserschüsseln. Anscheinend enthalten sie etwas, das die Kinder in ihren Bann zieht. Langsam verdunkelt sich der Himmel – und das mitten am Tag. Es wird klar, am Himmel findet gerade das faszinierende Schauspiel einer Sonnenfinsternis statt. Im Spiegel der Wasseroberfläche lässt es sich gefahrlos beobachten. Die Szene spielt sich im Ort »Bobanehena« auf der Insel Halmahera (Nordmolukken) ab und ist Teil des gleichnamigen Kurzfilms der Filmstudentin Anna Walkstein. Die Menschen begleiten die Sonnenfinsternis mit riesigem Lärm. Mehr oder weniger rhythmisch trommeln sie mit Holzstöcken, Eisenstangen und allem, was Krach macht. Es scheppert und klappert. Der Zuschauer kann nur vermuten, was es mit diesem Spektakel auf sich hat. Ist es Ausdruck der Freude über dieses seltene Naturschauspiel? Oder wird die plötzliche Dunkelheit eher als etwas Unheilbringendes betrachtet und mit dem Lärm werden böse Geister vertrieben? Nach und nach hellt der Himmel wieder auf und schließlich kehren die Menschen zurück zum Alltag. Auch diesen fängt Anna Walkstein mit ihrer Kamera ein und macht das Leben der Inselbewohner fühlbar. Körperliche Arbeit wie die Ernte des Molukken-Goldes Muskatnuss und das Herstellen von Kokosmilch zeugen von einem Leben fern des technischen Fortschritts. Und doch zeugt nichts in diesem Film von Stress. Tiefe Ruhe ist spürbar, ein Leben im Einklang mit der Natur. Als Zuschauer meint man den Wind auf seiner Haut zu spüren und die tropischen Pflanzen zu riechen. 34 Minuten lang fühlte man sich als Besucher des kleinen Eilandes. Am Ende des Films hat man entschleunigt und wünscht sich ein wenig dieser Atmosphäre in den eigenen Alltag transportieren zu können.
Eine Idee nimmt ihren Lauf
Anna Walksteins Kurzfilm ist Teil des vom Goethe-Institut Indonesien initiierten und finanzierten deutsch-indonesischen Filmprojekts »Fünf Inseln- fünf Dörfer«. Geniale Ideen entstehen oft in der spontanen Begegnung, im zwanglosen Austausch. Sie erfordern etwas Mut, vor allem aber die Lust auf Neues und das Vertrauen in die Umsetzbarkeit. So wird es vielleicht auch in diesem Fall gewesen sein, als Pepe Danquart, Professor für Dokumentarfilm an der Hochschule für Bildende Künste (Hamburg) und Dr. Blömeke, Leiter der Goethe Institute Südostasien/Australien/Neuseeland, auf einem Filmfestival in Berlin ins Gespräch kamen. Die Idee zu einer gemeinsamen DVD mit 10 Kurzfilmen, die ersten fünf sollten in Indonesien spielen, die anderen fünf in Deutschland, war schnell gefunden. Doch welchem verbindenden Thema könnte solch eine DVD gewidmet sein? Pepe Danquart berichtet hierzu: »16.000 Inseln in Indonesien, das haben wir hier in Deutschland nicht zu bieten. Aber was könnte als Äquivalent dienen? Dorfleben vielleicht. Und dann haben wir uns schließlich für fünf einsame, nichttouristische Inseln als Schauplätze entschieden. Das war uns wichtig. Die Inseln haben unsere Freunde der Universitas Indonesia, mit der wir kooperieren, ausgewählt.«
»Für die Auswahl der fünf deutschen Dörfer haben wir zunächst eine Liste mit zwanzig bis dreißig Dörfern angefertigt. Also ein Kriterium war natürlich, dass man gewisse Landstriche abbilden wollte. Und das diese Orte aufgrund ihrer landschaftlichen Prägung vielleicht auch schon Geschichten mit sich bringen, auf die sich die Filmemacher einlassen können, aber natürlich nicht müssen.« ergänzt der Filmemacher Bernd Schoch, der gemeinsam mit Pepe Danqart das Projekt betreut, und erwähnt damit einen der überraschenden Aspekte des Projektes.
Kreativität braucht Freiheit
Denn tatsächlich gab es neben der festgelegten Ortswahl kaum weitere Vorgaben. Lediglich eine gewisse Länge durfte das Filmmaterial nicht überschreiten, damit alle zehn Einzelwerke auf eine DVD passen würden. Ansonsten wollte man den Filmemachern freie Hand lassen. Zunächst sollte die Reihe »Fünf Inseln« in Indonesien gedreht werden. Fünf deutsche Filmstudenten traten also mit Kameras ausgestattet die Reise auf ihre jeweilige Insel an. Konzept, Kameraführung, filmische Umsetzung, alles lag in den Händen nur einer Person. Jeder Filmemacher wurde lediglich von einem Studenten der Universitas Indonesia begleitet, der der jeweiligen Regionalsprache der Inseln mächtig war. Denn fernab der Hauptinseln Indonesiens kommt man nicht mehr mit der offiziellen Landessprache Bahasa Indonesia weiter.
Wie findet man die geeigneten Kandidaten für solch ein kulturelles Abenteuer? Und wie bereitet man sich auf Filmarbeiten in Regionen vor, über die im Internet kaum Informationen existieren?
Die Auswahl der deutschen Filmstudenten übernahmen Professor Danquart und Bernd Schoch und beriefen sich herbei auf ihre Erfahrungen aus der täglichen Arbeit mit den Studenten. Bereits in Deutschland recherchierten die Studenten und schrieben Probekonzepte, die sie vor ihrem Aufbruch auf die Inseln im Goethe Institut Jakarta präsentierten. Doch auf diese Entfernung ist eine konkrete Planung gar nicht so einfach. »Viel hat sich dann vor Ort geändert, weil du aus der Entfernung gar nicht so viel recherchieren kannst und vieles erst vor Ort entdeckst. Im filmischen Prozess, in der filmischen Annäherung passiert dann meist noch ganz viel«, erklärt Anna Walkstein. So fand sie auch die Protagonisten ihres Filmes teils erst, während der Kameraführung und fragte dann spontan um Erlaubnis für die Filmaufnahme. Doch da hat jeder Filmemacher seine ganz eigene Herangehensweise. Und so unterscheiden sich die Ergebnisse der fünf kreativen Köpfe auch stark voneinander und eröffnen dem Zuschauer doch allesamt faszinierende Einblicke ins indonesische Inselreich.
Nun darf man gespannt auf die Kurzfilme der fünf indonesischen Filmemacher warten. Bei ihnen handelt es sich um die glücklichen Auserwählten von 130 Bewerbern, die im vergangenen Mai die Reise zum dreiwöchigen Dreh in Deutschland antreten durften. Sie sind größtenteils schon erfahrene Filmemacher. Die Arbeit im fernen Europa stellte für sie aber trotzdem ein nicht minder großes Abenteuer dar als für die deutschen Filmstudenten in Indonesien.
Alle 10 am Projekt beteiligten Filmschaffenden und Projektkoordinator Bernd Schoch (hintere Reihe, Dritter von links); Bildquelle: : Nuke Sulastari Andiani
Einige Stand- bzw. Szenenfotos zu dem ersten Teil des Filmprojektes »5 Inseln / 5 Dörfer«: