»Tropische Klänge«
Die Sprache der Musik
In Indonesien ist Musik weit mehr als nur Ausdruck von Lebensfreude. In dem Vielvölkerstaat stellt sie ein wichtiges Element zur Förderung der Zusammengehörigkeit dar.
von Birgit Lattenkamp
Singer-Songwriter Iwan Fals; Bildquelle | PT Tiga Rambu
Die tropische Sonne weicht der Dunkelheit. Nun dauert es nicht mehr lange und von überall her erklingen Gitarren. Rhythmisch begleiten sie die Stimmen der Nacht. Indonesien singt. Mehr als durch das geschriebene Wort, finden die Menschen hier in der Sprache der Musik ein Mittel zum Ausdruck ihrer Gefühle, Gedanken und Probleme. Kaum eine Familie, in der nicht mindestens eine Person ein Instrument spielt. Allerorts wird komponiert und arrangiert. Freunde und Schulkameraden gründen Bands. Nur die Wenigsten können wirklich von den Früchten ihrer Kreativität leben. Doch auch der Auftritt auf einem Dorffest, einem lokalen Musikwettbewerb oder gar einer Fernseh-Casting-Show sind der Mühe wert. Musik ist einfach ein tragendes Element der indonesischen Gesellschaft. Sie vermag es, Menschen zu verbinden. Selbst viele Schulen haben ihre eigenen Hymnen, die meist von Freundschaft, Zusammenhalt und natürlich auch der Loyalität gegenüber dem indonesischen Staat erzählen. Jeden Montag, pünktlich um sieben Uhr morgens, stehen die Schüler der Kanisius Oberschule Jakarta in Reih und Glied. »Hai Putra Kanisius selalu bersatu padu…(Hi Söhne Kanisius, immer fest vereint…)«, schallt es aus aller Munde.
Auf viel größerer Ebene aber sind es die »lagu daerah«, die regionalen Lieder, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Denn sie verbinden ganze Ethnien. Im Vielvölkerstaat Indonesien kann nicht vom typisch indonesischen Volkslied gesprochen werden. Nein, denn jede Volksgruppe kann mit Stolz ihr ganz eigenes traditionelles Liedgut präsentieren. In Sprache, Rhythmus und Melodie unterscheiden sich die Lieder oft erheblich voneinander. Eines ist ihnen jedoch gemeinsam. Sie berichten von der Heimat, ihren Menschen und der Schönheit der Natur. Allen voran ist sicherlich die Musik der Batak auf Sumatra zu nennen. Immer wieder hört man sie sagen. »Orang Batak dilahirkan untuk bernyanyi. Kalau pergi merantau, ada satu yang selalu terbawa dalam jiwanya: lagu Batak.« (»Die Batak werden geboren, um zu singen. Ziehen sie in die Ferne, so trägt ihre Seele doch stets etwas mit sich: die Batak-Lieder«). Die temperamentvollen Klänge ihrer Lieder erinnern an das Feuer lateinamerikanischer Rhythmen. Und wie sollte es anderes sein, sind viele der Stücke dem Toba-See, an dessen Ufern die Batak leben, gewidmet. Gerade in der Fremde, bietet Musik eine Möglichkeit, Heimweh zu bewältigen. Tenny aus Sulawesi, der seit einem Jahr in Deutschland studiert, greift abends oft zur Gitarre und singt: »Kota Manado yang kucintai. Kita nyanda mo lupa.« (»Meine geliebte Stadt Manado, nie werde ich dich vergessen«).
Akhadi Wira Satriaji, Sänger der Band Slank; Bildquelle | Thorsten Matzke |
Lange Zeit wurde von offizieller Seite die Bewahrung der regionalen Traditionen und Sprachen vernachlässigt. Man sah in ihr sogar eine Gefährdung der nationalen Einheit. Zunächst einmal galt es ein rein indonesisches Bewusstsein zu schaffen und da störten die alten Volkslieder eher. Kompositionen in Bahasa Indonesia waren dagegen sehr willkommen. Tatsächlich ist die Rolle der Musik nicht zu unterschätzen. Denn wenn heute Ibu Sari aus Jakarta zu denselben Dangdut-Liedern wie Pak Deny aus Sumba die Hüften schwingt und Lina aus Sumatra und Wayan aus Bali versuchen für ein und dasselbe Popkonzert Karten zu ergattern, dann sind die Gemeinsamkeiten nicht von der Hand zu weisen. Indonesien hat eine blühende Musikszene. Und anders als in vielen Ländern, wird selten auf Englisch gesungen; die nationalen Künstler haben in Indonesisch ihre Sprache gefunden. Allabendlich kann man sie live im Fernsehen erleben. Da gibt es alles was das Herz begehrt: Dangdut-Sendungen mit Stars wie Inul Daratista (berühmt für ihren »bohrenden« Hüftschwung) und Ayu Tingting. Die Jugend wiederum lauscht mit Begeisterung den Pop- und Rockkonzerten von Bands wie Noah und Sheila on 7. Thema vieler Lieder ist, wie wohl überall auf der Welt, die Liebe. Würde man eine Statistik über die am häufigsten verwendeten Worte in indonesischen Songs erstellen, so belegten die ersten beiden Plätze mit Sicherheit Cinta (Liebe) und Rindu (Sehnsucht). Musik bietet aber auch Platz für kritischere Töne. Die Punk-Band Slank rebelliert immer wieder gegen viele Bereiche des indonesischen Lebens. Um ihrem Namen gerecht zu werden, geschieht dies natürlich vor allem in Jakarta-Slang.
An dieser Stelle darf aber vor allem ein Musiker nicht unerwähnt bleiben: der Liedermacher Iwan Fals. Seit dreißig Jahren im Geschäft, wurde er zu einer Zeit bekannt, in der unter dem Regime Suhartos jegliche Art von politischer Kritik mit Auftrittsverboten oder gar Gefängnis geahndet werden konnte. »Suara Rakyat«, die Stimme des Volkes, nennen ihn seine Fans. Hinter Metaphern und fröhlichen Melodien musste der Meister der Worte lange Zeit seine Meinung verstecken. So z.B. in seinem Lied »Tikus-tikus Kantor«. Dort erzählt er von Krawatte tragenden Büromäusen, die gerne in schmutzigen Flüssen schwimmen und der Katze auf der Nase herumtanzen. Während diese so tut, als bekäme sie von all dem nichts mit. Mit dem Song wagte sich Fals an eines der großen indonesischen Probleme heran: die Korruption.
Ein in Indonesien immer noch sehr populäres Lied, »Tikus-Tikus Kantor« von Iwan Fals aus dem Jahr 1986,
übersetzt von Birgit Lattenkamp
»Tikus-Tikus Kantor«
Kisah usang tikus tikus Kantor Yang suka berenang di sungai yang kotor Kisah usang tikus tikus berdasi Yang suka ingkar janji lalu sembunyi
Dibalik meja teman sekerja Didalam lemari dari baja Kucing datang cepat ganti muka Segera menjelma bagai tak tercela Masa bodoh hilang harga diri Asal tak terbukti ah tentu sikat lagi
Tikus tikus tak kenal kenyang Rakus rakus bukan kepalang Otak tikus memang bukan otak udang Kucing datang tikus menghilang
Kucing kucing yang kerjanya molor Tak ingat tikus kantor datang menteror Cerdik licik tikus bertingkah tengik Mungkin karena sang kucing pura pura mendelik
Tikus tau sang kucing lapar Kasih roti jalanpun lancar Memang sial sang tikus teramat pintar Atau mungkin si kucing yang kurang ditatar
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»Büromäuse«
Die abgenutzte Geschichte von den Büromäusen Die gerne in verschmutzen Flüssen schwimmen Die abgenutzte Geschichte der Krawatte tragenden Mäuse Die gerne ihre Versprechen brechen und sich dann verstecken
Hinter den Schreibtischen ihrer Kollegen In Schränken aus Stahl Kommt die Katze, ändern sie schnell ihre Erscheinung Verwandeln sich augenblicklich, als sei ihr Verhalten tadellos Ist doch egal, wenn sie ihre Selbstachtung verlieren Vorausgesetzt es lässt sich nichts nachweisen, ach, dann räubern sie auf jeden Fall weiter
Die Mäuse sind niemals satt Ihre Gier ist unermesslich Das Gehirn der Maus ist in der Tat kein Garnelenhirn Die Katze kommt und die Mäuse verschwinden
Die Katzen schlafen bloß Erinnern sich nicht, dass die Büromäuse ihr Unwesen treiben werden Mit aalglatter Raffinesse gehen die Mäuse boshaft vor Vielleicht weil die Katzen so tun als halten sie die Augen offen
Die Mäuse wissen, dass die Katze hungrig ist Gibt man ihr Brot, wird schon alles reibungslos laufen Es ist schon ein Pech, dass die Mäuse so überaus clever sind Oder vielleicht ist die Katze nicht gut genug ausgebildet
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