Das Sasando – eine Bambusröhrenzither
Ein vielseitiges Instrument
Ein Gespräch zwischen Kuratorin Vanessa von Gliszczynski und Sasando-Spieler Vinsensius Adi Gunawan. Erfahren Sie mehr, über ein bei uns kaum bekanntes Musikinstrument und die Leidenschaft des Künstlers dafür.
Ein Interview von Vanessa von Gliszczynski (VvG)
Sasando-Konzert mit Vinsenius Adi Gunawan April 2024 im Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main; Bildquelle: Foto|Vanessa von Gliszczynski
Vanessa von Gliszczynski: Das Sasando, über das wir hier sprechen, kommt ja von der kleinen ostindonesischen Insel Roti, wird aber auch auf Flores und Timor gespielt. Wie und wann bist Du zum ersten Mal mit dem Sasando in Berührung gekommen und wie hast Du gelernt, es zu spielen?
Vinsensius Adi Gunawan (VAG): Als ich ein Kind war, war das Sasando nicht sehr populär; es wurde nur gelegentlich im Schulunterricht erwähnt. Das erste Mal kam ich mit dem Instrument während meiner philosophischen und theologischen Studien auf der Insel Flores in Berührung. Allerdings war es nur eine kurze Begegnung mit einem Sasando-Meister, um das Instrument besser kennenzulernen. Danach ging ich nach Polen, um mein Theologiestudium fortzusetzen. Nach dem Abschluss meines Theologiestudiums wollte ich mich mehr mit Musikethnologie beschäftigen. Im Jahr 2010 war ich in meinem Heimatland für einen längeren Forschungsaufenthalt, um Material für meine bevorstehende Doktorarbeit zu sammeln. Zu dieser Zeit kam ich schon mehr in Berührung mit dem Sasando, aber es fehlte mir die Zeit, es zu lernen. Es handelt sich nicht gerade um ein billiges Instrument und meine Prioritäten waren ganz andere.
Im Jahr 2013 zog ich nach Deutschland und während meines ersten Urlaubs in der Heimat begann ich mich wieder für das Sasando zu interessieren. Ich versuchte, ein paar Techniken zu lernen, aber wieder kam mir mein Zeitmangel in die Quere. Ich kaufte mir ein Instrument und beschloss, mir das Sasando-Spielen selbst beizubringen – als Autodidakt. Ich änderte die Reihenfolge der Saiten etwas ab, um sie leichter spielen zu können und um gleichzeitig den typischen Klang des Sasandos zu erhalten.
VvG: In welcher Stimmung wird das Sasando gespielt und welche Art von Musik macht man darauf? Spielt man es alleine oder zusammen mit anderen Instrumenten – und zu welchen Anlässen?
VAG: Der sogenannte Sasando-Gong ist die traditionelle Version des Instruments und hat nur acht oder zwölf Saiten. Der Sasando-Gong wird als Begleitung zum Tanz, bei traditionellen Ritualen oder Zeremonien, zu Hause oder in einer Hütte auf dem Feld gespielt. Traditionell wird das Sasando nur von einer Trommel begleitet. Aber diese Bambusröhrenzither kann auch mit Gesang oder Solo gespielt werden.
VvG: Würdest Du sagen, dass sich die Bedeutung des Sasandos in den letzten 30 Jahren in Indonesien und speziell auf Roti bzw. Flores oder Timor verändert hat? Was hat dazu beigetragen? Wie kommt es, dass das Instrument heute in ganz Indonesien so beliebt ist?
VAG: Mit der wirtschaftlichen Entwicklung geht ein kultureller Wandel einher, der sich auch auf die Musik auswirkt. Auf den Sasando-Gong folgte das Sasando-Biola, also das Geigen-Sasando, mit mehr als 30 Saiten und einem diatonischen Saitenaufbau – das heißt diese Version des Instrumentes orientiert sich an der europäischen Stimmung. Das traditionelle Sasando blieb auf der Insel Roti erhalten, während die neuere Form des Sasandos vor allem auf der Nachbarinsel Timor gespielt wurde und auch sehr populär wurde. Heute ist das Sasando in ganz Indonesien sehr bekannt und beliebt, dank einheimischer Musiker wie Natalino Mella, Djitron Pah, der Gruppe Nusa Tuak, Ivan Nestorman und Gaspar Araja.
VvG: Wird das Sasando auch in der Popkultur verwendet, z. B. in Popsongs?
VAG: Tatsächlich spielen Natalino Mella, Djitron Pah, Ivan Nestorman und Gaspar Arja auf dem Sasando vor allem Popmusik. Djitron Pah schaffte es 2010 bei der Fernsehsendung »Indonesia‘s got Talent« bis ins Finale und spielte in der Sendung fast nur Variationen von Popsongs, gemischt mit traditionellen Elementen.
VvG: Kannst Du uns beschreiben, was Dich persönlich mit dem Klang des Sasando verbindet? Und was findest Du am Sasando besonders faszinierend?
VAG: Der Sasando-Gong hat mich bewegt und inspiriert. Der Klang, der aus nur acht oder zwölf Saiten kommt, versetzt mich trotz seiner gewissen Monotonie in einen unbekannten sakralen Raum. Meine Art zu spielen, ist in Indonesien nicht populär, weil ich mehr Wert auf den ursprünglichen und traditionellen Klang lege.
Infobox:
Das Sasando ist eine Bambusröhrenzither aus Roti, einer kleinen Insel in Ostindonesien. Früher gab es auf vielen Inseln Südostasiens ähnliche Bambuszithern, bei welchen die Saiten aus der äußeren Haut des Bambus geschnitten wurden – diese Zithern werden aber kaum noch gespielt. Das Sasando hingegen ist auf Roti, den benachbarten Inseln Flores und Timor, aber mittlerweile auch in ganz Indonesien sehr populär.
Bambusröhrenzither Sasando aus Roti, Ostindonesien. Schenkung des Generalkonsulates der Republik Indonesien 2022. Sammlung Weltkulturen Museum; Bildquelle: Foto|Wolfgang Günzel
Die Bauweise des Sasandos, wie sie auf dem Foto zu sehen ist, unterscheidet sich von anderen Bambusröhrenzithern: Es besteht aus einer Bambusröhre, die rundum mit Metallsaiten bespannt ist. Die Anzahl der Saiten kann dabei stark variieren. Auch beim Sasando waren die Saiten früher aus Bambus und wurden mit Klötzchen gespannt. Das Besondere am Sasando ist außerdem ein Fächer aus Palmblättern, durch den der Klang verstärkt wird sowie sein großer Tonumfang.
Sasando-Konzert mit Vinsenius Adi Gunawan April 2024 im Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main (Ausschnitt); Bildquelle: Foto|Vanessa von Gliszczynski
Über | Vinsensius Adi Gunawan Bio
Vinsensius Adi Gunawan ist Musikethnologe und katholischer Priester, der seit 2013 bei den Steyler Missionaren in St. Augustin bei Bonn arbeitet. Er ist auf Flores in Ostindonesien aufgewachsen, wo er das Sasando kennen und spielen lernte.
Im April 2024 hatte Vinsensius Adi Gunawan die Gelegenheit im Rahmen einer Konzertführung in der Ausstellung »Klangquellen. Everything is Music!« das Sasando und sein Repertoire vorzustellen.
Der Beitrag ist erste Mal, redaktionell leicht überarbeitet, in der Ausgabe »Klangvoll« der Weltkulturen News erschienen, einem Medium des Weltkulturen Museums.