Berlin-Jakarta-Projekt | eine Bild-Text-Dokumentation
»Natur trifft Comic und Buchkunst«: ein deutsch-indonesisches Workshopprojekt
Ende August 2019 gastierte die Comiczeichnerin Sheila Rooswitha Putri in Berlin. Gemeinsam mit der Buchkünstlerin Gudrun Ingratubun und dem Leistungskurs Kunst der Ev. Schule Frohnau beschäftigte sich das Team mit Storytellingmethoden, Pflanzenfarben aber auch anderen Techniken und Stadtnatur-Themen.
Jörg Huhmann (JH) / InMaOn
Illustration des Workshopteams; Bildquelle: Zeichnung von Sheila Rooswitha Putri / Foto: JH
Mit Jakarta pflegt Berlin seit 25 Jahren Partnerschaftsbeziehungen. Beide Städte stehen heute vor großen Herausforderungen was Mobilität, Wohnen und Umwelt angeht. Auf der Suche nach Lösungen für die ganz unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereiche einer sich ständig verändernden Gesellschaft, erfordern alternative Konzepte und neue kreative Ideen zukünftig mehr Aufmerksamkeit. Die Natur scheint dabei in beiden Städten eine bisher eher untergeordnete Rolle zu spielen, umso größer ist die Sehnsucht der Menschen danach. Neue, alternative Wege zu beschreiten bedeutet auch, in Vergessenheit geratenes Gedankengut aufzugreifen und neu zu interpretieren. Dabei stellt der Austausch von Ideen aus beiden Städten eine große Bereicherung dar.
Vor diesem Hintergrund sind im Jubiläumsjahr 2019 verschiedene Aktivitäten mit der populären Comiczeichnerin und Illustratorin Sheila Rooswitha Putri aus Jakarta entstanden.
Workshop-Poster; Bildquelle: Illustration von Sheila Rooswitha Putri
Unter dem Titel »Natur trifft Comic und Buchkunst« hat Ende August 2019 ein Projekt stattgefunden, für dessen Umsetzung Ansätze und Aspekte rezipiert wurden, die nicht neu, eher vergessen und verdrängt sind, heute aber durchaus wieder als innovativ bezeichnet werden können: Themen wie die ökologische und ökonomische Bedeutung von naturnahen, gemeinschaftlichen Räumen sowie die Rückbesinnung auf das natürliche Farbspektrum unserer Umwelt. Die Neuinterpretation kann zu gesellschaftlichem und kulturellem Wandel beitragen.
Im Rahmen des mehrtägigen deutsch-indonesischen Projektes hat die indonesische Gastkünstlerin zusammen mit der Buchkünstlerin Gudrun Ingratubun und Kunstschüler*innen der Ev. Schule Frohnau einen kreativen Workshop durchgeführt. Entstanden ist ein 4-tägiges interdisziplinäres Vorhaben, mit Elementen aus den Bereichen Kunst, Literatur, Medien und kombiniert mit Stadtentwicklungsthemen.
Gerade auch der letztgenannte Aspekt steht hier für einen wichtigen Ansatz, der sich durch die gesamte Workshop-Zeit dieses vielschichtigen Projektes gezogen hat. Denn der Workshop mit den Jugendlichen fand nicht nur an der Schule statt, sondern auch an vier von der Buchkünstlerin ausgewählten städtischen, »grünen Orten«.
Diese vom Team besuchten naturnahen »Sehnsuchtsorte« (urban gardening places) haben die Arbeit der Schüler*innen als Informations-, Begegnungs- und Schaffensräume mit geprägt und eine Vertiefung künstlerisch-kreativer Ideen und »grüner Themen« impliziert.
Zwischen den Protagonisten – den Jugendlichen, der Comiczeichnerin Sheila und der Buchkünstlerin Gudrun – entstand eine Art »produktives Dreiecksverhältnis«, mit einem ständigen ideenreichen Austausch. Das Ausprobieren und Gestalten mit selbst hergestellten Naturfarben sowie das Erlernen neuer Comiczeichenstile und Buchkunsttechniken erhielt zusätzliche Inspiration durch die Positionen der Comickünstlerin und die Erzählungen über ihre Heimatstadt Jakarta.
Auf den einzelnen Etappen entdeckten die Jugendlichen auf diese Weise alternative Wege der künstlerischen Gestaltung und erlernten die Fähigkeit, Erlebnisse, Beobachtungen, Technik und Fantasie in Zeichnungen zu verbinden. Ihre Eindrücke und Erfahrungen haben sie in Geschichten, Skizzen, Comicstrips und Infotexten festgehalten, die zum Abschluss des 4-tägigen Workshops zu Büchern arrangiert, gebunden und kreativ gestaltet wurden.
Als Begleiter, immer mit dabei, ein kleines Handbuch. Das Manual mit Instruktionen und Beispielen zu den von den beiden Künstlerinnen angewendeten Techniken diente dem Kunstkurs während des gesamten Workshops als unterstützendes Instrument.
Das Projekt wurde initiiert, mitorganisiert, medial begleitet sowie dokumentiert vom Indonesien Magazin Online.
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Die im Folgenden präsentierte Bild-Text-Dokumentation gibt einen Einblick in die 4-tägige Schaffenszeit der 13 Jugendlichen des Kunst-LK der 12. Klasse. Die ersten beiden Workshoptage waren vor allem durch Outdoor-Erfahrungen geprägt. Die folgenden Tage fanden im Kunstraum der Schule statt, stets mit der hilfreichen Unterstützung vom Fachbereichsleiter Kunst Wolfgang Prehm.
Tag 1
Der erste Workshop-Tag begann in der Ev. Schule Frohnau. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde aller Akteure startete Sheila den Workshop für den Kunstleistungskurs mit einem Zeichenspiel, sozusagen zum Aufwärmen, ein »icebreaking game«.
Anschließend haben die Schüler*innen ein kleines Handbuch mit zahlreichen leicht verständlichen Instruktionen für die kommenden Workshop-Tage von der indonesischen Illustratorin und der deutschen Buchkünstlerin erhalten (die einzelnen Seiten mussten von Schüler*innen selbst gefaltet und zu einem Manual zusammengeklebt werden). Danach ging es zunächst zu einem ersten Freiluft-Zeichenstopp am Bahnhof Frohnau, wo erste Skizzen angefertigt wurden.
Der Weg führte das Team dann weiter in den Südwesten Berlins, zum Gutshof Gatow, einem Areal aus dem 19. Jahrhundert, das heute Treffpunkt für verschiedene naturnahe Aktivitäten ist. Nach einer kurzen Einführung durch die Besitzerin des ländlichen Anwesens Rita, konnte das Gelände selbst erkundet werden. Im Gatower Botanicum, dem »Garten der Religionen«, in dem die einzelne, malerischen Gartenbereiche mit Bezug auf eine der Weltreligionen bepflanzt sind, hatten die Schüler*innen dann die Gelegenheit sich in einen der Winkel des Gartens zurückzuziehen und dort nach Sheilas Storytelling-Methode »the associative method«, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen und weitere Skizzen zu einer Geschichte zusammenzufügen.
Der Abschluss des ersten Workshoptages fand im nahegelegenen Bauerngarten »Havelmathen« statt, einem weiteren Konzept des »urban gardening«; eine in Kreisen angelegte Gartenlandschaft, die im Gegensatz zur industriellen, großstädtischen Lebensmittelversorgung steht – hier ausgelebt ganz nach dem Leitgedanken: Freude am Gärtnern in Gemeinschaft und gepflegter Gemüseanbau auf für eine Saison pachtbaren Parzellen. Das ganze Team genoss hier einen kurzen Mittagssnack – frische, riesige Zucchini direkt vom Feld mit einem Humus-Dip.
Einige visuelle Eindrücke vom Workshop-Tag 1:
Tag 2
Der zweite Workshoptag führte zunächst auf das Tempelhofer Feld, zum Allmende-Kontor, einem Gemeinschaftsgarten. Gegründet 2011 sind hier auf einer Fläche von 5000 qm mehr als 250 Hochbeete angelegt mit über 500 Mitgärtner*innen.
Die Kunstschüler*innen sollten sich zunächst von der Umgebung inspirieren lassen. Danach wurde Sheilas zweite Technik, »the character based method«, ausprobiert. Mit Hilfe eines Geschichtengenerators werden dabei drei wesentliche Elemente zu einem Handlungsstrang zusammengeführt. Alle hatten später Zeit auf diese Weise eine eigene Geschichte zeichnerisch umzusetzen.
Der zweite Stopp auf der Entdeckungstour »Natur in Berlin« führte den Kunstkurs zum Prinzessinnengarten in Kreuzberg. Dort erhielt die Gruppe zunächst eine Einführung von Marco, Co-Gründer des Prinzessinnengarten und der Nachbarschaftsakademie. Als sozial-ökologisches Gemeingut übernehmen die Prinzessinnengarten eine wichtige Funktion in der Verbindung zwischen Themen des urbanen und ländlichen Raumes, unterstützt durch die Plattform »Nachbarschaftsakademie«, ein Ort selbstorganisierten Lernens im Garten. Daneben gibt es Führungen, Vorträge und es wird selbst angebautes auf dem Gelände verkauft. Der Garten ist aufgrund seiner exponierten Lage zum Jahresende akut von Schließung bedroht.
An diesem Ort haben die Kunstschülerinnen die letzte Outdoor–Zeichenstunde von Sheila erhalten. Es ging um die »graphic diary method«, ihre Spezialität. Dabei wird ein Tagesablauf visualisiert, der vorher, an Hand bestimmter wechselnder Parameter (Fragen) strukturiert wird. Es entstehen häufig mehrere Panels. Sheila präsentierte einige Beispiele ihrer eigenen Arbeit, um das das Thema noch besser zu veranschaulichen.
Einige visuelle Eindrücke vom Workshop-Tag 2:
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Workshopteam, mit den fertiggestellten Kunstbüchern; Bildquelle: Jörg Huhmann (JH) /InMaOn
Tag 3 und 4
Die Tage 3 und 4 des Workshops fanden wieder im Kunstraum der Ev.-Schule Frohnau statt. Neben der Fortsetzung der Zeichenarbeit an den bereits begonnen Geschichten, erfolgte parallel dazu die Herstellung von Pflanzenfarben sowie der kunstvollen Buchdeckel (Ecoprint), unter der Anleitung von Gudrun Ingratubun.
Bei der Farbherstellung wurden Karotten, Petersilie, Brombeeren und Rotkohl verwendet; für die indonesischen Farben kayu secang (sappan Wood), daun pandan (Blätter der Pandan-Palme), kunyit (Gelbwurz) und kayu kuning. Nach Schneiden, Stampfen, Auspressen und Erhitzen mit Gummi Arabicum (Pflanzengummi) wurden am Ende Aquarellfarben in rot, gelb, braun und grün geschaffen, die sich auch mischen ließen. Ergänzend sei erwähnt, dass beim Farb-Herstellungsprozess lediglich die holzartigen Pflanzen wie kayu kuning (Golden Tea) und kayu secang auch erhitzt werden müssen, um farbgebende, malfähige Stoffe zu erhalten.
Mit den selbst hergestellten Pigmenten haben die Kunstschüler*innen dann ihre Zeichnungen koloriert. Zu erwähnen in diesem Zusammenhang: während des 4-tägigen Zeichenprozesses hatte der Kunstkurs die Möglichkeit verschiedene Papierarten zu benutzen – Skizzen,- Aquarell- und Graspapier. Das Graspapier war dabei reserviert für den Jakarta-Comic.
Für die Anfertigung der Ecoprints, der kreativen Außenhülle für die späteren Kunstbüchlein, benötigte man frisch gesammelte Blätter, Fotokarton, Wasser mit eingeweichten rostigen Nägeln, einen großen Topf mit dampfendem Wasser, Holzplatten, Schnüre und etwas Zeit. Das Ergebnis: Blätterbedruckte Buchdeckel in verschiedenen Farbgebungen und in jedem Fall kleine Unikate.
Zudem lernte die Kunstklasse an den letzten beiden Tagen mehr über Sheilas Heimat und die kulturellen Besonderheiten. Die Comiczeichnerin stellte in einem visuellen Vortag ihre Metropole Jakarta vor. Es war eine bildhafte Reise in die Partnerstadt Berlins.
Eine der letzten Aktionen des Workshops bestand im Binden der Kunstbücher. Buchdeckel (Ecoprints) und Zeichnungen der Schüler*innen wurden durch das Ankleben eines Buchrückens, das Bohren von Löchern mittels einer Ahle und Binden zu kleinen Gesamtkunstwerken zusammengefügt. Am Ende gab es noch eine kurze Präsentation der Werke sowie abschließende Gespräche und eine Auswertung.
Einige visuelle Eindrücke vom Workshop-Tag 3 und 4:
Bei allen Schüler*innen hat sich ein besonderes Interesse an der künstlerischen Dimension des Projektes gezeigt. Für sie war fast alles neu, gelegentlich ungewöhnlich, aber immer inspirativ und bereichernd. Gerade auch die ersten Erfahrungen mit dem Comiczeichnen haben durchweg positive Momente bei dem Kunstkurs hinterlassen. »Aus kleinen Dingen aus der Umgebung, etwas wie Comics zu kreieren«, so wie es eine Schülerin ausdrückte, hat Viele aus dem Kurs beeindruckt.
Eine andere Schülerin beschrieb ihre Erlebnisse am Ende unter anderem mit den Worten: »es war interessant, eine komplett andere Kultur kennenzulernen, denn Kunst geht über die Landesgrenzen hinaus.«
Auch der Wunsch nach mehr Informationen über das Land der indonesischen Künstlerin war sehr präsent. Das Projekt konnte so auch dem Anspruch gerecht werden, etwas für den kulturellen Dialog beider Länder getan zu haben und Anregung für mögliche, zukünftige Aktivitäten zu sein, diesmal vielleicht in Jakarta. Der Schüler Oke äußerte sich dazu so: »das Projekt ist eine gute Möglichkeit, auch junge Leute zusammenzubringen und so den Reiz für ein anderes Land zu erzeugen.«
Tag 5
Einige visuelle Momente von der finalen Präsentation. Die vorgestellten Ergebnisse sind während eines mehrtägigen Workshops Ende August 2019 entstanden:
Am 14. September 2019 hat es im Rahmen des Schulfestes der Ev. Schule Frohnau textliche Informationen und bildhafte Eindrücke zu dem kreativen Workshopprojekt »Natur trifft Comic und Buchkunst« gegeben. Gezeigt wurden z.B. die fertiggestellten Kunstbücher der Schüler*innen, Roh-Materialien zur Farbherstellung ebenso wie die selbsthergestellten Naturfarben zum Kolorieren, aber auch ausgewählte, eigene von der Künstlerin Sheila angefertigte Zeichnungen mit Workshopbezug. Zudem gab es weiterführende Informationen zum Thema und kostenloses indonesisches Fingerfood für die Besucher*innen. Im Fokus stand die Präsentation des kompletten Workshops als Diashow in Dauerschleife.
Weiterführende Hinweise zu den Künstlerinnen:
(links) Gudrun Ingratubun und (rechts) Sheila Rooswitha Putri, hier auf dem Gelände der Ev. schule Frohnau 2019; Bildquelle JH / InMaOn |
Sheila Rooswitha Putri | geboren und aufgewachsen in Jakarta, ist ein starker, weiblicher Charakter einer neuen, lebendigen Comic-Szene. Sie steht für den Erzählstil der »Graphic Diaries« und ist unter anderem durch die Comic-Blogs über Alltags- und Familiengeschichten bekannt geworden. Dabei stellt sie auch oft sozialkritische Aspekte dar. Heute ist sie eine der populärsten Künstlerinnen in diesem Bereich in Indonesien und hat schon an vielen internationalen Veranstaltungen teilgenommen. So war sie auch 2015 auf der Frankfurter Buchmesse und im März 2019 auf der Londoner Buchmesse, um ihre Bücher zu präsenteren. Auf ihrer Facebookseite »Sheila´s Playground« skizziert sie ihre täglichen Erfahrungen und Eindrücke im Großstadtdschungel Jakarta nach. Zuletzt war sie auch an der Erstellung von Comics für das MRT (Mass Rapid Transit) in Jakarta, beteiligt, um die Leute auf »entspannte« Art mit dem neuen U-Bahn-System – dem ersten in Indonesien überhaupt – vertraut zu machen.
Mehr im WEB unter FB sheilarputri und instagram sheilasplayground |
Gudrun Ingratubun | realisiert unter dem Namen „Book your Story!“ kreative Buchprojekte mit Kindern und Jugendlichen in Berlin. Die Kinder schreiben eigene Geschichten, inspiriert durch Erfahrung und Fantasie, illustrieren sie mit Linoldrucken und binden sie zu Buchunikaten. So entstehen Kunstwerke, in denen häufig recycelte Materialien und Naturfarben verwendet werden. Nach ihrer fünfjährigen Tätigkeit in Indonesien, unter anderem als Mitarbeiterin am Goethe-Institut Jakarta, arbeitet sie heute auch als Literaturübersetzerin aus dem Indonesischen. Sie übersetzt Romane und Kurzgeschichten bekannter indonesischer Autoren ins Deutsche, dolmetscht und moderiert bei Literaturveranstaltungen.
Mehr im WEB unter FB book-your-Story und instagram
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Das Projekt »Natur trifft Comic und Buchkunst« ist Teil verschiedener Projektaktivitäten mit der Künstlerin Sheila R. Putri, initiiert von Indonesien Magazin Online in Zusammenarbeit mit Book Your Story, unterstützt vom Bezirksamt Reinickendorf, Abt. Bauen, Bildung und Kultur, Fachbereich Kunst und Geschichte im Rahmen des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung.