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Digitalisierung

Digitale Welten im Naturkundemuseum Berlin: Neue Wege zur Öffnung der Sammlungen aus Indonesien

 

Durch Digitalisierung werden Sammlungen aus Indonesien im Naturkundemuseum Berlin weltweit zugänglich gemacht.

von Bernhard Schurian

 

Das Museum hat einen dreh- und schwenkbarern Apparat entwickelt (»Zoosphere«), auf dem einzelne Insekten in fast der gesamten sphärischen Ansicht dargestellt werden können (quasi 3D); Bildquelle Bernhard Schurian

 

 

Das Museum für Naturkunde in Berlin beherbergt schätzungsweise 30 Millionen gesammelte Objekte, von denen 15 Millionen Insekten sind. Wie viele es genau sind, lässt sich schwer sagen, da sie niemals in ihrer Gänze gezählt worden sind. Dazu kommt, dass die Sammlungen regelmäßig Zuwachs durch Forschungsreisen der Wissenschaftler des Museums, Schenkungen oder Nachlässe bekommen.

 

Konservierung der Insekten

 

Insekten werden seit über 200 Jahren systematisch gesammelt und auf die gleiche Weise konserviert: einzeln auf Nadeln gesteckt, in Reih und Glied angeordnet und in Holzkästen mit einem Glasdeckel aufbewahrt. Die Glasabdeckung hat den Vorteil, die Tiere betrachten zu können und vor negativen Umwelteinflüssen zu schützen. Ein Teil der Tiere wird auch in Alkohol eingelegt, zu sehen in der Ausstellung des Naturkundemuseums Berlin. Doch wie öffnet man einen solch immensen Schatz für einen größeren Interessentenkreis? Zum Beispiel für Wissenschaftler aus Indonesien, die nicht anreisen können, für fachfremde Disziplinen, die die Sammlungen unter neuen Fragestellungen betrachten wollen oder das allgemein interessierte Publikum.

 

Von »Databasing« bis »Digitalisierung«

 

In der Vergangenheit konnten nur Spezialisten hinter verschlossenen Türen in diese Sammlungen schauen. Sie reisten dafür aus aller Welt an oder ließen sich einzelne Objekte schicken, an denen sie dann forschen konnten. Eine der zukünftigen Methoden, publikumswirksamer zu agieren und mehr Licht ins Dunkel der verschlossenen Sammlungen zu bringen, heißt: Digitalisierung. Digitalisierung bedeutet in diesem Fall: Zuerst wird eine Bestandsaufnahme der zu den Sammlungsobjekten gehörenden Daten durchgeführt. Was früher in einem Zettelkatalog aufgeschrieben war und was auf den Etiketten unter den genadelten Insekten steht, muss in eine Datenbank aufgenommen werden (engl.: »Databasing«). Dann kommt das Bild oder die Bildserie des Objekts hinzu (engl.: »Digitization«).

 

In den vergangenen zwei Jahren wurden in dem von der EU geförderten Projekt EoS (Erfassung objektreicher Sammlungen, digicoll-info) sowohl 10.000 Einzeltiere als auch 10.000 Insektenkästen digitalisiert: Alles mit einem hochauflösenden Insektenkastenscanner, der 240 Einzelbilder des gesamten Kastens erstellt, die anschließend zu einem großen Bild zusammengesetzt werden. Das fertige Endprodukt wird dann online gestellt und ist für den elektronischen Kommunikations-und Informationsaustausch frei verfügbar.

 

Zoosphere – Insekten in 3D

 

Ein weiteres Projekt mit Namen »Zoosphere« hat zum Ziel, dass Wissenschaftler virtuell an Insekten forschen können. Zur genaueren Bestimmung müssen sie von allen Seiten und in allen Details zu betrachten sein. Dazu hat das Museum einen dreh- und schwenkbaren Apparat entwickelt, auf dem einzelne Insekten in fast der gesamten sphärischen Ansicht dargestellt werden (quasi 3D) und der auch die Winzigkeit der Insekten berücksichtigt. Diese lassen sich wie bei jeder Makrofotografie nicht mit einem einzelnen Foto scharf abbilden. Mit digitaler Technik und Software (»Stacking«) ist es heute möglich, ein Tier von vorn bis hinten scharf abzubilden. Mehr ist dazu im Netz unter zoosphere zu finden.

 

 

Typischer Insektenkasten mit Schmetterlingen. Die Etiketten bezeichnen Gattung und Art.
Bildquelle: Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Typische Kästen mit Mollusken. Die Etiketten bezeichnen Gattung und Art.
Bildquelle: Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Typusexemplar einer Dickkopffalterart (Pyrrhopyge papius) mit den dazugehörenden Etiketten.
Bildquelle: Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Genadelter olivgrüner Hummelschwärmer (Sphingidae Hemaris croatica) aus der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin.
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Nahaufnahme des olivgrünen Hummelschwärmers (Sphingidae Hemaris croatica).
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Vor dem Scannen müssen QR Codes mit einer Sammlungsnummer an jede Art im Insektenkasten vergeben werden.
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Mit 240 Einzelbildern werden die Insektenkästen gescannt und in hoher Auflösung zusammengesetzt.
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Zur genaueren Bestimmung müssen die Tiere von allen Seiten und in allen Details zu betrachten sein. Dazu hat das Museum einen dreh- und schwenkbaren Apparat entwickelt (»Zoosphere«), auf dem einzelne Insekten in fast der gesamten sphärischen Ansicht dargestellt werden können (quasi 3D).
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Die Goldschildfliege wird in zwei Achsen gedreht und dadurch von allen Seiten sichtbar.
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Nahaufnahme. Die Fliege wurde in Sulawesi gesammelt, heißt Pancala eos, und gehört zu den Tachiniden (Raupenfliegen).
Bildquelle: Bernhard Schurian | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin
Logo Indobiosys-Projekt
Grafik:Sonja Kreft | | Museum für Naturkunde (MfN) Berlin

 

 

»Indobiosys« - eine deutsch-indonesische Kooperation

 

Im Rahmen des wissenschaftlichen Forschungs- und Austauschprojekts »Indobiosys« liegt der momentane Fokus der Digitalisierung auf dem aus Südostasien stammenden Material im Museum für Naturkunde. Die zehntausende Objekte stammen sowohl aus neuen Aufsammlungen deutscher und indonesischer Forscher des aktuellen Projekts, als auch aus historischen Sammlungen mehrerer großer Expeditionen in den indonesischen Archipel zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts. Indonesien ist als biologischer Hotspot mit einer sehr hohen Artendichte von besonderem Interesse. Viele Arten sind endemisch, d.h. sie kommen nur in klar abgegrenzten Habitaten vor. Aufgrund der Insellage haben sich viele dieser endemischen Arten auf dem begrenzten Territorium in kurzer Zeit zu vielen unterschiedlichen aber nahe verwandten Arten diversifiziert (Artenschwarm).

 

Ein Beispiel sind die Landschnecken: Diese Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin ist sehr artenreich und zeichnet sich besonders durch eine hohe Zahl an Typusexemplaren aus. Typen sind der »Urmeter« der Biologie. Anhand eines ausgewählten Exemplars wird eine neue Art beschrieben, die dann in allen weiteren Untersuchungen als Vergleichsobjekt dient. Deshalb sind Typusexemplare wissenschaftlich äußerst wertvoll und der größte Schatz eines Naturkundemuseums. Zur Digitalisierung werden die Gehäuse der Schnecken auf schwarzen Sand gebettet und mit dem Insektenkastenscanner in 3 Positionen gescannt, um für Spezialisten eine erste Einschätzung und Begutachtung geben zu können.

 

Neben der Öffnung dieser Sammlung für die Öffentlichkeit ist ein Ziel der Digitalisierung, die Zugriffsmöglichkeit für Wissenschaftler zu verbessern. Jeder Forscher soll einen ersten Einblick haben und abschätzen können, wie sich eine Sammlung zusammensetzt. Dadurch entfällt die aufwändige Suche und Anfrage bei Kuratoren zu bestimmten Arten und Objekten. Auch ein Teil des Leihverkehrs von Typus-Material entfällt. Das erleichtert die Arbeit der Sammlungsmanager und bewahrt das kostbare Material vor Schäden. Aufwändige und kostenintensive Reisen sind nicht mehr notwendig. Für das »IndobiosysProjekt« ist die Digitalisierung eine wichtige Komponente der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Indonesien und Deutschland.

 

 

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