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Buchbesprechung

Die Braut des Bendoro – Pramoedya Ananta Toer

 

Als »Probefrau« ihres Herren wird ein vierzehnjähriges Mädchen in die feudalen Gesellschaftsstrukturen Javas im frühen 20. Jahrhunderts hineingezwungen.

von Sebastian Wolf

 

Buchcover (Ausschnitt) | Quelle: Horlemann Verlag 

  

»Werde ich bis an mein Lebensende nur Staubtuch, Staubwedel und Besen in Händen halten, nur die Wachstülle zum Batiken und die schmutzigen Teller des Bendoro?«

 

Die Braut des Bendoro ist der erste Teil einer Romantrilogie von 1962. In Folge des Putschversuchs, der Jakarta und Indonesien 1965 erschütterte wurde die Privatbibliothek des linksoppositionellen Schriftstellers Pramoedya Ananta Toer von Anhängern des Generals Soeharto, dem Führer der Militärjunta, vollständig verbrannt. Diese Verbrennungsaktion zerstörte auch die Manuskripte für den zweiten und dritten Teil der Trilogie – die Leidensgeschichte der Braut des Bendoro kann somit leider nur bis zu einem gewissen Punkt verfolgt werden.

 

In Pramoedyas Werk wird das Schicksal eines jungen Mädchens aus einem javanischen Fischerdorf beschrieben. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen und wird durch eine Hochzeit in die Aristokratie hineingezwungen. Jedoch bemerkt sie schnell, dass sie niemals die Gelegenheit bekommen wird ihr auch anzugehören. Sie hinterfragt ihre Situation und beginnt sich ein emanzipatives Gedankengerüst aufzubauen. Mit diesem stellt sie die gesellschaftlichen Strukturen und ihre Stiuation in Gesprächen mit ihrem Dienstmädchen in Frage. Auch dient ihre emanzipative Denkweise dem Schriftsteller als antifeudales und antikoloniales Sprachrohr. Stellenweise entwickelt Pramoedya hier ein »Hidden Transcript«, indem er Inhalte gesellschaftlicher Selbstbefreiung zwischen den Zeilen erahnen lässt.

 

In ihrem Fischerdorf hatte das Mädchen noch aussprechen können, was sie gerade dachte, hatte alles Leid, welches über sie kam, beweinen und alle Freude, die ihr junges Herz überschwemmte, herausschreien können. Nach ihrer Zwangsheirat hatte sie zu schweigen und es schien nirgends mehr ein »Ohr« zu geben, dem sie ihre Empfindungen hätte anvertrauen können. Für den Schriftsteller symbolisiert dieses »Ohr« nun den Leser.

 

Stilistisch lassen sich im Werk Gegensätzlichkeiten erkennen. Pramoedya bedient sich häufig an Symbolen der Natur, mit denen er Ungebundenheit und Freiheit erkennen lassen möchte: »Wir alle leben von der Freigebigkeit des Meeres!«; und setzt im Gegenzug urbane Symbolmittel ein, die den Weg in eine aufgezwungene Moderne aufzeigen und die Freiheiten des Menschen beschränken: »Dieses Haus ist wie ein Friedhof. Steine ohne Gefühl.« Oft ist in diesen Momenten von dem niederländischen General Herman Willem Daendels die Rede, der »die große Poststraße« (Jalan Raya Pos) anlegte. Eine etwa 1000 Kilometer lange, sich von Westen nach Osten der Insel Java ziehende, historische Fahrstrecke. Ein Bauprojekt, bei dem javanische Zwangsarbeiter unter schwierigsten gesundheitlichen Herausforderungen gedrungen wurden, es innerhalb eines Jahres zu beenden. Konnten einzelne Teilabschnitte nicht den Produktionszielen entsprechend fertiggestellt werden, drohte den Arbeitern der Tod. Etwa 12.000 Javaner verloren beim Bau der Strecke ihr Leben.

 

Für den Schriftsteller ist »der große Postweg« wie ein symbolisch angelegter Weg in die Unterdrückung, der eine Verbindung zwischen der ländlichen traditionellen javanischen Welt und der aufgezwungenen Lebensweise feudaler Strukturen ebnet – Pramoedya zeigt hier seinen antikolonialen Charakter, um beim Leser den Drang nach gesellschaftlicher Selbstbefreiung zu verstärken. Er erinnert an die schlimmen Zeiten unter niederländischer Herrschaft und zeigt auf, dass die bestehenden aristokratischen Umstände und kolonialen gesellschaftlichen Errungenschaften immer noch ein solches Verhältnis vorweisen.

 

Ebenso lebensbedrohliche Konflikte wie beim Bau „der großen Poststraße“ für die Arbeiter, entstehen auch für die Braut des Bendoro zahlreiche Notlagen, die in Aggressionen und teils schwerwiegenden Entscheidungen münden. In einem Moment, indem sie einen neugewonnenen Teil ihrer Selbst zu verlieren glaubt, zeigt sie aufopfernde Selbstlosigkeit und großherzigen Edelmut. Annähernd charakterfest lehnt sie sich gegen die Obrigkeiten auf - in der Hoffnung auf Zuversicht und der Möglichkeit auf einen Ausweg.

 

Im Aufbau ist die Trilogie vergleichbar mit dem wohl bekanntesten Werk Pramoedya Ananta Toers – seine Buru-Tetralogie, die ihm internationalen Ruhm eintrug. In beiden Zyklen steht die indonesische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts im Vordergrund. Gegebenheiten der javanischen Kultur und des Imperialismus werden beschrieben, hinterfragt und kritisiert. Nach Aussage des Schriftstellers behandeln die verbrannten Manuskripte die darauffolgenden Generationen – ähnlich der Buru-Tetralogie.

 

In Fachkreisen gilt die Braut des Bendoro als Pramoedyas meist unterschätztes Werk. Es ist eine empfehlenswerte Annäherung an sein literarisches Schaffen, für jeden der sich mit diesem Schriftsteller befassen möchte.

 

Die Braut des Bendoro, Erschienen im Horlemann Verlag
2001, 260 Seiten, Preis 14,90
 

 

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