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Städtepartnerschaft Hildesheim – Padang

Im Geiste Karl Helbigs – 30 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Hildesheim und Padang

 

Als viertgrößtes Land der Erde hat Indonesien nur drei Städtepartnerschaften mit Deutschland. Eine feiert 2018 ihr 30-jähriges Jubiläum: auf der einen Seite die beschauliche Weltkulturerbe-Stadt Hildesheim, auf der anderen die quirlige Hafenstadt Padang, von deren Charme ein Hildesheimer Forschungsreisender einst schwärmte.

von Andreas Kurschat

 

Fotografie von Karl Helbig und seinem Begleiter, aus dem Buch »Tuan Gila – ein „verrückter Herr“ wandert auf Sumatra«, Autor: Karl Helbig, 2. Auflage, Leipzig / F.A. Brockhaus, 1945; Quelle: mit freundlicher Genehmigung zum Abdruck vom Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim (RPM); [Der Nachlass Karl Helbig – Fotoarchiv, Bibliothek und Objekte befinden sich im RPM, Manuskripte und Briefwechsel im Stadtarchiv Hildesheim]

 

  

»Tuan Gila« (»verrückter Herr«) – so bezeichnet der Forschungsreisende Karl Helbig ironisch sich selbst im Titel seines 1934 erschienenen und noch heute lesenswerten Buches über seine nicht nur für mitteleuropäische, sondern auch für südostasiatische Verhältnisse unkonventionelle Reise durch das nördliche Sumatra bis hinunter nach Padang. Wie er dort, an der Westküste, zur Zeit der niederländischen Kolonialherrschaft, einige Tage lang »das Leben einer echt indonesischen Küstenstadt« auf sich wirken ließ, schildert er sehr anschaulich am Ende von »Tuan Gila«.

Vermittler zwischen den Welten

 

Karl Helbig, der 1903 in Hildesheim geboren wurde und 1991 in Hamburg starb, leistete mit seinen umfangreichen geographischen und ethnologischen Forschungen wie auch mit seinen lebendig geschriebenen, von großer Zuneigung zu Land und Leuten zeugenden Reiseberichten und Erzählungen wertvolle Beiträge zur Vermittlung eines differenzierten Bildes von diesem Teil Südostasiens in Deutschland. Insofern kann man es als eine späte Frucht seiner Arbeit ansehen, dass seine Geburtsstadt Hildesheim ein gutes halbes Jahrhundert nach seinem Forschungsaufenthalt auf Sumatra eine Städtepartnerschaft mit Padang einging.

 

Auch wenn Helbig nicht direkt daran beteiligt war, lag es doch nahe, sich bei der Anbahnung dieser Städtepartnerschaft an seine wissenschaftliche Pionierarbeit zu erinnern. 1988 wurde der inzwischen 85-Jährige im Hildesheimer Rathaus, dort wo die Kooperation zwischen den beiden Städten wenige Wochen zuvor besiegelt worden war, mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Doch wie kam die Zusammenarbeit zwischen den beiden Städten zustande, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam zu haben scheinen? Hildesheim, die mehr als tausend Jahre alte Handels- und Bischofsstadt im niedersächsischen Binnenland, die zeitweilig fürstliche Residenzstadt war, wirkt recht beschaulich, wenn man den Blick vom hohen Turm der Andreaskirche über die UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten Mariendom und Michaeliskirche und die übrigen Dächer schweifen lässt. Padang, die wesentlich jüngere Hafenstadt am Indischen Ozean, die unter kolonialer Herrschaft zum Wirtschafts- und Verwaltungszentrum ausgebaut wurde und seit einigen Jahrzehnten Hauptstadt der indonesischen Provinz West-Sumatra ist, entwickelt sich – auch nach einem verheerenden Erdbeben 2009 – so rasant, dass schon die Schwelle zur Millionenstadt überschritten ist.

 

Wie alles begann

 

Das Bindeglied zwischen beiden Städten bildete die Wissenschaft – ganz im Geiste Helbigs sozusagen, wenn auch in einer ganz anderen Disziplin: Den Anstoß zum Brückenschlag gab passenderweise der Fachbereich Bauingenieurwesen der Fachhochschule Hildesheim (heute: Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst). Für seine ausländischen Absolventen veranstaltete der Fachbereich ab 1982 Reintegrationsseminare, um sie auf die Rückkehr in ihre Heimatländer vorzubereiten. »Die weitaus größte Zahl dieser Absolventen kam aus Indonesien«, berichtet Professor Burkhard Bretschneider, der damals dort lehrte. Durch einen glücklichen Zufall kam Bretschneider 1985 erstmals nach Padang. Er erinnert sich, wie er in Stuttgart einen Vortrag über Baumanagement hielt und anschließend von einem Kollegen aus Braunschweig gefragt wurde, ob er denselben Vortrag auch in englischer Sprache halten könnte, »allerdings schon in 14 Tagen, und zwar in Indonesien und Malaysia.« Kurzentschlossen sagte Bretschneider zu, auch wenn ihm noch nicht klar war, wie er die Übersetzung so schnell fertig bekommen sollte. Mit mehreren anderen Experten aus Niedersachsen flog er dann nach Südostasien, wo die Gruppe Weiterbildungsseminare für Baufachleute gab und Praktikumsplätze für deutsche Studenten organisierte, unter anderem in Padang. Bretschneiders Vortrag kam beim Fachpublikum so gut an, dass der Braunschweiger Kollege begeistert erklärte, solche Reisen nie mehr ohne ihn unternehmen zu wollen.

 

Mit Bretschneiders Vortrag begann ein reger Austausch zwischen der Universitas Bung Hatta in Padang, einer nach dem ersten indonesischen Vizepräsidenten Mohammad Hatta benannten Privatuniversität, und dem Hochschulfachbereich Bauingenieurwesen in Hildesheim. Dadurch kam eine bis heute bestehende Hochschulpartnerschaft zustande, von der zahlreiche Lehrende und Studierende profitierten. Rasch setzten sich auch die politischen Spitzen der Stadt Padang und der Provinz West-Sumatra für eine offizielle Verwaltungskooperation mit Hildesheim ein, und so wurde am 20. Juni 1988 im Hildesheimer Rathaus ein Kooperationsvertrag zwischen beiden Städten unterzeichnet.

 

Früchte der Kooperation

 

Zur Pflege der freundschaftlichen Beziehungen organisiert der Hildesheimer Arbeitskreis Padang alle zwei Jahre einen »Informationsabend Indonesien« als Forum für deutsch-indonesische Begegnungen, auch über die Grenzen der beiden Partnerstädte hinaus. So konnte man dort unter anderem schon Tänze aus Java und Bali von der Tanzgruppe Ananda aus Wolfenbüttel bewundern oder sich über Veranstaltungen des von indonesischen und deutschen Studierenden gegründeten Vereins BUGI – Bildung und Gesundheit für Indonesien e.V. und des Kirchlichen Entwicklungsdienstes der evangelisch-lutherischen Landeskirchen in Braunschweig und Hannovers informieren.

 

Tatkräftige Unterstützung erhält die Partnerschaftsarbeit von Oliver Rösner im Büro des Oberbürgermeisters und von der gebürtigen Indonesierin Mimi Schlüter, die in Padang studiert hat, seit längerer Zeit aber schon in Deutschland lebt und sich im Hildesheimer Arbeitskreis Padang engagiert. So stellten die beiden gemeinsam das Besuchsprogramm für eine Delegation aus Padang zusammen, die im März 2018 für eine Woche in Hildesheim zu Gast war. Angehörige von Stadtverwaltung und Hochschulwesen aus beiden Städten tauschten sich dabei unter anderem über Stadtplanung, Abfallentsorgung, Feuerwehr und berufliche Bildung aus. Ein weiterer Programmpunkt war ein Besuch bei der Hildesheimer Blindenmission, die schon seit vielen Jahren zwei Blindenschulen in Indonesien unterstützt und nun auch Kontakte nach Padang geknüpft hat. Dabei geht es um die Möglichkeit einer Kooperation mit dem Ziel, ein Zentrum zur Förderung der schulischen und beruflichen Bildung von Blinden in Padang zu errichten, wie Pastor Frank Ewert von der Hildesheimer Blindenmission erläutert. Die weitere Arbeit an der Realisierung dieses Projekts wird sich vermutlich noch nicht im Jubiläumsjahr der Städtepartnerschaft abschließen lassen. Bei dem geplanten Festakt am 6. August 2018 in Padang, zu dem eine Delegation aus Hildesheim reisen wird, dürfte es aber nach 30 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit auf jeden Fall Grund genug zum Feiern geben.

 

Anbahnung einer offiziellen Partnerschaft mit Hildesheim in Padang im August 1986; Quelle: Burkhard Bretschneider

 

 


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