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Wandel

Indonesiens Zeit der Macher: Positive Entwicklungen im Inselreich

 

Auch wenn – oder gerade weil – in den vergangenen Tagen wieder einmal Negativschlagzeilen aus Indonesien in die ausländischen Medien gelangten, lohnt es sich den Blick auf die positiven Veränderungen im Land zu lenken.

von Birgit Lattenkamp

 

Überschwemmungen in Jakarta. Seit Jahren beschäftigt dieses Thema die Bevölkerung. Auch wenn sich viele mittlerweile damit zu arrangieren wissen, es besteht weiterhin Handlungsbedarf; Bildquelle: Jörg Huhmann

 

 

Es tut sich was in Indonesien. Seit der indonesische Präsident Jokowi, seiner Zeit als Bürgermeister der zentraljavanischen Stadt Solo, bewiesen hat, wie mit Bürgernähe, Enthusiasmus, Engagement und dem Mut, neue Wege einzuschlagen, eine Stadt nicht nur optisch aufgefrischt, sondern insgesamt die Lebensqualität seiner Einwohner erhöht werden kann, weht ein frischer Wind im Land. Die Millionenstädte wie Jakarta, Bandung und Surabaya scheinen in einem Wettstreit darüber zu stehen, welche Stadt die meisten und schönsten öffentlichen Parks, den höchsten Grad an Verbesserungen in der Infrastruktur und die zufriedensten Bürger hat. Ihre Bürgermeister werden zu Superstars, die allzeit in den Medien präsent sind, von vielen geliebt und unterstützt, von manchen aber auch gehasst und bekämpft.

 

Ahok – Kämpfer für Transparenz im Korruptionsdschungel

 

Den schwersten Job hat sicherlich Basuki Tjahaja Purnama, kurz Ahok genannt, als Gouverneur von Jakarta zu bewältigen. Indonesiens Hauptstadt mit seinen 13 Millionen Einwohnern ist ein Schmelztiegel von ethnischen Gruppen, Kulturen und Religionen. Allein dieser Fakt zeugt von einem hohen Konfliktpotential. Hinzu kommen die großen, für alle offensichtlichen Probleme wie dauerhafte Verkehrsstaus und immer wiederkehrende Überschwemmungen zur Regenzeit. Zum Teil sind diese auf fatale Fehlplanungen in der Infrastruktur sowie dem Versiegen von staatlichen Geldern in unbekannten Taschen zurückzuführen. Und so landet man zwangsläufig bei des Übels Kern, der allgegenwärtigen Korruption. Die Bekämpfung dieser ist eines der großen Ziele Ahoks. Während seiner Amtszeit wurden bereits tausende von Beamten der Korruption überführt und durch neue ersetzt. Selbstredend, dass die größten Profiteure des korrupten Systems nicht zu seinen Freunden zählen und mit allen Mitteln versuchen, seine Wiederwahl im kommenden Jahr zu verhindern. Selten wurde ein Wahlkampf mit so harten Bandagen geführt, wie man es derzeit in Jakarta bezeugen kann. Als Gouverneur setzt Ahok vor allem auf Bürgerbeteiligung und Transparenz. Er legt die Gehälter seiner Regierung und Verwaltung offen, lässt seine Bürger medial an den Parlamentssitzungen teilhaben. Außerdem empfängt er täglich Bürger in seinem Amtssitz, die ihre Beschwerden oder auch Verbesserungsvorschläge vortragen können. Auch dies geschieht nicht hinter verschlossenen Türen, sondern kann live im Internet verfolgt werden. Ahok packt die Probleme an und nennt sie offen beim Namen. Er findet ungewohnt deutliche Worte und manch einer musste sich erst an seinen neuen Regierungsstil gewöhnen, wo bislang doch javanische Höflichkeit und Konfliktvermeidung in Indonesiens Politik vorherrschten. Um die vielfältigen Problemfelder anzugehen, arbeitet er Hand in Hand mit den jeweiligen Experten. Denn an diesen mangelt es im Land nicht, sie müssen nur gehört werden.

 

Studenten blicken positiv in die Zukunft

 

Nach jahrelanger Politikverdrossenheit gewinnen die neuen Führungspersönlichkeiten nun endlich wieder das Vertrauen der jungen Menschen. Langsam, aber doch spürbar, findet ein Umdenken unter den Hochschulabsolventen statt. Zwar wagten immer schon viele den Schritt in die Selbstständigkeit, doch setzte man früher eher auf Geschäftsfelder, die auf schnellen bzw. kurzfristigen Gewinn zielten und die nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem eigentlichen Studienabschluss standen. Nun aber können sich immer mehr Studienabgänger eine gesicherte Zukunft im Land vorstellen und investieren ihr Know-How in längerfristige Projekte, die neben dem eigenen Auskommen auch Indonesien zu Gute kommen. Hierzu zählen z.B. Firmengründungen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Neue Umweltgesetze und –richtlinien erleichtern zudem den Zugang. Denn jährlich steigt der Stromverbrauch in Indonesien und um den Bedarf zukünftig decken zu können, sollen die geologischen und klimatischen Gegebenheiten des Inselreiches verstärkt genutzt werden. Geothermische Kraftwerke, die die Erdwärme der Vulkane nutzen, Biogasanlagen, die mit organischen Abfällen- vor allem aus der Palmölindustrie- gespeist werden sowie Wasserkraftwerke spielen hierbei eine größere Rolle als Solar- und Windenergie.

 

Selbst unter den indonesischen Auslandsstudenten kehren auffallend viele nach Abschluss des Studiums in die Heimat zurück, während sie dort früher kaum eine Zukunftsperspektive sahen.

 

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Das Rathaus von Bandung (Balai Kota Bandung), wo Bürgermeister Ridwan Kamil, der ausgebildete Architekt, seit 2013 die Amtsgeschäfte führt. Bildquelle: Jörg Huhmann

 

 

Ridwan Kamil – Bandungs Sohn kehrt zurück in die Heimat

 

Vorbild ist hier sicherlich auch Bandungs Bürgermeister Ridwan Kamil. Nach Abschluss seines Masterstudiums in Urban Design an der Universität Berkely/Kalifornien und anschließender Architekten-Tätigkeit für verschiedene US-amerikanische Firmen, zog es den Sundanesen schließlich zurück nach Indonesien. In seiner Heimatstadt Bandung gründete er mit Freunden das Architektur- und Designbüro namens Urbane, das für die Umsetzung seiner Entwürfe bereits mehrere internationale Auszeichnungen erhielt. Mittlerweile ist Kamil erfolgreicher, parteiloser Politiker, und bringt sein Konzept der urbanen Gestaltung mit auf Bandungs Regierungsagenda. Darüber hinaus hat für ihn die Errichtung einer umweltfreundlichen Abfallwirtschaft für die knapp drei Millionen Einwohner der Stadt oberste Priorität. Der präsidiale Erlass Nummer 18 dieses Jahres ist dabei richtungsweisend. Denn dieser sieht den schnelleren Ausbau der Abfallwirtschaften von acht indonesischen Großtädten – darunter Bandung – mit Schwerpunkt auf dem Konzept »Waste to Energy« vor. 

 

Aufbau eines Bewässerungssystems für Reisfelder, Gunung Kidul, Zentraljava; Bildquelle: Stiftung M

 

 

Indonesiens Landbevölkerung wartet noch auf den großen Aufschwung

 

Wie so oft, sind die größten Entwicklungen und Fortschritte in den großen Städten zu verzeichnen. Die Landbevölkerung spürt davon jedoch nur wenig. Nach wie vor leben die Menschen in den von Landwirtschaft geprägten Gebieten in sehr bescheidenen Verhältnissen, weshalb ihnen zumeist auch der Zugang zu der in Indonesien sehr kostenintensiven, höheren Schul- und Hochschulbildung verwehrt bleibt.

 

Ein interessantes »Hilfe zur Selbsthilfe«-Konzept für Indonesiens Bauern hat nun die Aufmerksamkeit der inländischen Medien auf sich gezogen. Hinter diesem steht nicht etwa die Regierung, sondern ein ehemaliger Angehöriger des indonesischen Militärs. Moeldoko, unter Präsident Bambang Susilo Yudhoyono, Oberster Befehlshaber der indonesischen Armee, kennt die Situation auf dem Land nur allzu gut. Er selbst stammt aus einem kleinen ostjavanischen Dorf und war während seiner Militärlaufbahn häufig auf dem Land stationiert, wo er den Alltag der am wirtschaftlichen Existenzminimum lebenden Bauernfamilien bezeugen konnte. Ihm wurde bewusst, dass sich diese Situation nur zum Positiven wenden würde, wenn man ihnen zum einen Gehör verschaffte und zum anderen den Zugang zu Weiterbildung und neuestem Know-How im Bereich Landwirtschaft ohne große Hürden ermöglichte.

 

Bauern an den Kampus

 

Und so ließ er bereits während seiner aktiven Zeit beim Militär die Tore der Universität Tanjungpura, West-Kalimantan, öffnen und lud die Landwirte der Region ein, um sich über neue Ansätze und Möglichkeiten, die Ernteerträge – vor allem des Grundnahrungsmittels Reis – zu erhöhen, zu informieren. Aufgrund der positiven Resonanz wiederholte er diese Aktion später am Kampus der renommierten Technischen Hochschule Bandung. Tausende Bauern folgten der Einladung. Nach seiner Pensionierung gründete Moeldoko die Stiftung M, die es schaffte, vierzig Gruppen von Landwirten verschiedener Regionen mit Wissenschaftlern und Experten der nahegelegenen Universitäten an einen Tisch zu bringen. Erste Erfolge aus diesen Gesprächen sind z.B. zwei Pilotprojekte in der Region um den Gunung Kidul/Zentraljava, einer der trockensten Regionen des Landes. Aufgrund der langen Trockenperioden konnten die Anwohner der Bergdörfer bislang nur eine einzige Reisernte im Jahr erzielen. Dank effektiver, motorloser Wasserpumpen und entsprechender Wasserreservoire kann nun auch das Wasser des tiefer im Tal fließenden Flusses zur Bewässerung der Felder genutzt werden. Mithilfe dieser recht simplen Technologie werden zukünftig zwei Ernten im Jahr eingefahren und das System bedarf keiner Überwachung von außen, sondern kann komplett in die Hände der Menschen vor Ort übergeben werden. Geplant ist eine Ausdehnung dieses Bewässerungsverfahrens auf ein Areal von 2000 ha Land.

 

Weitere vielversprechende, von der Stiftung geförderte Innovationen sind zum Beispiel die Entwicklung eines Microbubble Generators durch drei Studenten der Universität Gajahmada, der die Wasserqualität bei der Zucht von Süßwasserfischen erheblich verbessern kann, sowie ein neues Verfahren der Reisintensivierung (SRI: System of Rice Intensification), das in Zusammenarbeit mit der Universität Surabaya erarbeitet wurde.

 

All diese hier vorgestellten positiven Entwicklungen in Indonesien täuschen natürlich nicht darüber hinweg, dass sich das Land immer noch großen Herausforderungen gegenüber sieht, doch machen sie Hoffnung auf eine Bewältigung der anstehenden Probleme, denn vielleicht hält man den Lösungsschlüssel schon in den Händen: eine Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe.

 

 

 

 


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